Vorsprung durch Technik

Keine Sorge, ich habe nicht vor, mich jetzt regelmäßig auch noch an der Fachwerbung der Medien abzuarbeiten. Ich hatte heute morgen nur lachen müssen, als ich auf turi2 diese nicht nur in dieser Woche ungewollt komische Werbung des „Spiegel“ sah:

(Bitte beachten Sie auch den symbolischen Tiefenabstand zwischen dem „SPIEGEL“-Logo und der „DER REST“-Tapete.)

Jedenfalls stutzte ich, als die Anzeige umblätterte auf dieses Bild:

Ich fand den Vorsprung von 718.000 Lesern gegenüber 632.000 Lesern jetzt gar nicht so eindrucksvoll angesichts der dramatisch niedrigeren Auflage (und, zugegeben: Relevanz) des „Focus“. In Säulenform hingegen macht das schon was her.

Kein Wunder: Der „Spiegel“-Verlag hat getrickst. Er hat die „Focus“-Säule einfach kleiner dargestellt, als es den Zahlen entspräche — und zwar um immerhin zehn Prozent. (Oder, je nach Perspektive, den eigenen Penis die eigene Säule künstlich verlängert.)

Zum Vergleich die „Spiegel“-Version der Statistik und die korrekte Darstellung:

50 Replies to “Vorsprung durch Technik”

  1. Nun, der Fehler ist erstmal, dass keine Skala da ist. Denn wenn die untere Linie vielleicht so bei 100’000 wäre, würde es stimmen.

  2. Nun, die Balken scheinen ja häufiger gebogen zu werden (siehe auch die entsprechende Serie im BildBlog). Vielleicht sollte man ein extra Balken-Watchblog einrichten… da gibt es sicher noch weitere Beispiele.

  3. Es gibt in Deutschland fast 1,4 Mio Entscheidungstraeger in Wirtschaft und Verwaltung?! Oder lesen manche auch beide Medien? Oder gibt es 10 Mio Entscheidungstraeger und 9,3 Mio lesen nur noch Blogs?!

  4. ein wirklich wichtiges thema.ich habe mir heute im uebrigen den kleinen zeh ganz dolle gestossen.das hat echt schlimm wehgetan.

  5. @marc Auaaaaa! Das klingt ja wirklich übel! :( Kannst du die Story bitte direkt an Niggi mailen, damit er darüber berichten kann? Mich würde seine Meinung dazu interessieren. Danke und Gute Besserung!

  6. Früher hatte ich es nicht so sehr mit „Korinthenkackern“. Mittlerweile werden sie mir von Tag zu Tag sympathischer. Und wenn sie irgendwann die ganz großen Themen anpacken …

  7. das ist nicht komisch,das tat wirklich ganz doll weh!und ich finde das thema wirklich wichtig.weil es eben auch menschen gibt, die einen niedrigeren iq als eine backerbse haben,ergo denen also nicht klar ist,dass werbung, speziell eigenwerbung immer mit einem besonders “ skeptischem“ auge betrachtet werden muss.deshalb: daumen hoch fuer soviel engagement!

  8. 8, Konstantin:

    Gönnen Sie uns doch mal die Rosinen hier. Damit überbrücken wir die Wartezeit, bis Sie endlich mittels eigenem Blog und Papas Geld das Große und Ganze erklären.

  9. 12, theo:

    Das Geld ist es nicht. Ersparen Sie mir bitte die Begründung für diese These. Dafür gönne ich Ihnen Ihre Rosinen.

  10. Die haben die Säulen nicht verlängert. Die haben nur unten etwas abgeschnitten. Die ersten 500.000 Leser zählen doch nicht.

  11. Die Zahlen versteh ich nicht ganz. 718k Leser sind „Entscheidungsträger“ und nur ca. 200k Fußvolk? Warum ist DER SPIEGEL so schlecht darin Entscheidungsträger anzusprechen? Der FOCUS erreicht mehr Entscheidungsträger als er Ausgaben herausgibt und DER SPIEGEL weniger? Das ist doch nix zum mit anzugeben.

  12. Vielleicht ist die Skalierung der Achse „Leser“ nicht linear, sondern logarithmisch. In dem Fall könnte die Darstellung richtig sein ;-)

  13. Ich habe regelmäßig mit der Erstellung von Infografiken fürs Fernsehen zu tun. Selbige sollen nicht selten auch ein wenig dramatischer wirken, als sie sind. Dafür gibt es im Fernsehen auch reichlich mittel. Aber wenn eine Sache NIEMALS meinen Schreibtisch verlässt, dann derart manipulierte Diagramme!

  14. Das ist so verdammt ärmlich und dämlich, dieser Unsinn hier. Ich hoffe dass es noch lang die Relevanz eines Spiegels gibt bevor solche merkwürdigen Blogger die Überhand bekommen und unser Zeitbudget verschwenden. Es geht doch ganz offensichtlich darum, dass sich hier jemand am Spiegel abarbeitet, mehr nicht. Auf die Pseudo-Enthüllung einzugehen, ist wohl vertane Zeit. Nur so viel: wenn ich eine riesige Bordauflage habe, die ich in Lufthansa-Lounges verramsche, ist doch eine solche Enscheidungstraeger-Zahl klar. Aber das wäre journalistische Einordnung und nichts fuer ein Blog. Man hätte auch die Auflage nebeneinander Stellen können – das wäre sicher eindrucksvoll gewesen…

  15. Relevanz ist relativ. Gefühlte eigene Relevanz aber allem Anschein nach absolut. Das gilt wahrscheinlich für sehr viele Journalisten, und deswegen sollten sie öffentlich über die eigene Relevanz lieber nicht einmal laut nachdenken.

  16. Das ist eine leider sehr weit verbreitete Unsitte, die Balken nicht auf der Grundlinie, also bei 0, sondern bei irgendeinem mittleren Wert beginnen zu lassen, um so die Unterschiede optisch zu vergrößern. Statt dass ein anderer Diagrammtyp gewählt wird. Informationsdesign bietet doch einen breiten Strauß an Möglichkeiten.

    Wenn auch der Anlass eher nichtig ist: gut, dass das mal an so prominenter Stelle angesprochenen wird.

  17. Die Krisensitzung in der 11 Etage des Spiegelhochhauses ist noch in vollem Gange. Ein Chefredakteur hat so voller Zorn auf den Boden gestampft, dass sich die Balken bogen. Eine Stellungnahme zu den Vorwürfen des Medienkritikers ist nicht vor 23.00 Uhr zu erwarten

  18. ich bin weniger erstaunt über die diagramme als über die „werbung“ an sich. eine mehrmals mit den worten „der rest“ bedruckte tapete?! welch symbolik!

  19. Das musst du unbedingt bei „Senor Gif“ hochladen, Stefan. Unbedingt, hörst du? Und, Mann, den Zehn angestoßen! Krasse Geschichte, Marc. Kopf hoch. Wir haben alle schon finstere Zeiten erlebt. Es wird auch wieder besser. Wir denken an dich!

  20. Viel erbärmlicher finde ich ja, dass die redaktionelle Arbeit zumindest von Spiegel online mittlerweile ausschließlich daraus bestehen zu scheint, Bild.de zu lesen, die „Artikel“ umzuschreiben und einen Tag später mit leicht modifizierter Schlagzeil auf spiegel.de hochzuladen. Perfekt demonstriert vor einigen Tagen, als der vermeintlich frauenfeindliche Leitartikel dieses Marinemagazins erst von Bild unter der Schlagzeile „Marinezeitung verhönt Gorch Fock Kadettin“ und einen Tag später von Spiegel als „Marine-Magazin verunglimpft Frauen“ verwurstet wurde.

  21. @gnaddrig: auf wunderbare weise von unserem großartigen, segensreichen und barmherzigen hausherrn geheilt.

  22. @Konstantin
    Also mich würd die Begründung für These interessieren
    Also die mit Papas Geld und dem großen und ganzen und so.
    Erhellen Sie uns.

    In freudiger Erwartung
    Herzlichst
    Ich

  23. Jakob Augstein sagt

    Die Seite 2 ider Bild st seit geraumer Zeit die wichtigste politische Seite einer deutschen Tageszeitung, und „Bild“ ist das meistzitierte Medium des Landes, noch vor SPIEGEL und „Süddeutscher Zeitung.“

    Liegt das daran, dass die Bild so gut, oder die anderen so schlecht (geworden) sind? Da gabs mal einen, wie hieß der noch…der hätte vielleicht dafür gesorgt dass sich das ändert anstatt Kolumnen wie diese zu schreiben.

    Die „Bunte“ musste sich Anfang 2010 gegen den Vorwurf wehren, eine „Agentur“ damit beauftragt zu haben, Informationen über Franz Müntefering und Oskar Lafontaine zu beschaffen…Die „Bunte“ sah sich damals von einer solchen Welle der Empörung überrollt, dass man mit einem Lerneffekt rechnen darf.

    Den Fall Kachelmann hat er nicht verfolgt, der Herr „Augstein“ vom „Nachrichtenmagazin“ „Spiegel, oder?

  24. Ist das Ziel des gemeinsamen Spotts erstmal gefunden, dann reicht auch die kleinste Kleinigkeit, um sich gruppendynamisch vor Lachen zu biegen.

    Das war auf dem Schulhof auch schon immer so, wenn die kleine Streberin auch noch hässliche Schlüpfer trug.

  25. @schwanensee: Ist das Ziel der künstlichen Angenervtheit in einem Blog erstmal gefunden, dann reicht auch der kleinste Artikel, um sich über dessen vermeintliche Nichtig- oder Unnötigkeit zu echauffieren.

  26. @schwanensee

    Ein Magazin welches offensichtlich manipulierte Diagramme als Werbung nutzt, obwohl selbst Nicht-Journalisten im Studium beigebracht bekommen, dass jedes Diagramm bei der NULL zu beginnen hat, entlarvt sich selbst.

    Das hier ist keine Kleinigkeit, sondern ein Anzeichen für ein größeres Übel.

    Da es auch so wunderbar offensichtlich und allgemeinverständlich aufzuklären ist, einfacher als ellenlange Texte über schlechte Recherche, Abschreiben oder ähnliches, ist es völlig angebracht, so etwas anzukreiden.

  27. Vielleicht hat die Konkurrenz den TURI2-Server gehackt und das animierte Werbe-GIF manipuliert? Damit auch der Spiegel beim Niggemeier mal richtig dumm dasteht?

    Aber nein, ist doch sehr abwegig. Vielleicht sind die Qualitätsstandards der Spiegel-Redaktion einfach nicht dieselben wie die der Spiegel-Werbeflächenvermarkter. Ein wenig peinlich ist es schon. Und eine nette Geschichte.

  28. @Gerrit Reekers: „Ein wenig peinlich ist es schon. Und eine nette Geschichte.“

    Ich bin so froh, wenn ich sowas lese, an Stelle von Kommentaren der Sorte „Ja, aber trotz dieses Artikels ist der Spiegel immer noch doof und der Chefredakteur nicht gefeuert worden, also wieso hast du den überhaupt geschrieben?“

  29. Bleiben Sie dran, lesen Sie demnächst:

    Lieferservice Bellissima Napoli behauptet dreist, die besten Pizzen der Stadt zu machen. Sie sind aber eher durchschnittlich. Und das Waschmittel Weißer Gigant wäscht auch nicht weißer als andere.

    Die Welt ist voller Skandale. Man muss sie nur finden WOLLEN.

  30. 33, Ich:

    Damit wollte ich lediglich zum Ausdruck bringen, dass eine überzeugende Erklärung des Großen und Ganzen nicht mit einem x-beliebigen Geldbetrag einzukaufen ist. Stellen Sie sich vor, Murdoch, Springer oder Piel würden eine siebenstellige Summe zur Beantwortung dieses Themas investieren. Was käme dabei wohl heraus?

    P.S. Als der Tagesspiegel veröffentlichte, dass wir eine sechsstellige Summe in ein Medienprojekt investieren würden, fielen die Reaktionen der Branchenbeteiligten extrem unterschiedlich aus. Zum Beispiel schrieb V.i.S.d.P. (Dr. Hajo Schumacher), dass sie mit 200.000 Euro 40 Jahre auskommen würden. Kennt hier jemand die Tarife der V.i.S.d.P.-Redaktion?

    Ein bekannter Verlagsmanager, dessen Name ich hier nicht nennen will, sah es genau andersherum. Sinngemäß sagte er, dass man mit einem derart kleinen „Peanuts“-Betrag gar nichts auf die Beine stellen könne. Am Ende ist es immer eine Frage der Betrachtungsweise.

  31. KND hat völlig Recht. Mit den Worten Helmut Kohls: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“

  32. 46, theo:

    So ist es. In einigen Fällen will man es aber gar nicht so genau wissen (zum Beispiel bei der Mixtur von Kaffee, Kuchen, Wein und Saumagen).

  33. werbung ist am besten, wenn sie zynisch ist. man muss nur einen beliebigen spot stumm sehen.

    was die leute allerdings vom spiegel erwarten, der z. b. den news of the world skandal mittlerweile online unter kultur abhandelt, das ist mir ein rätsel.

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