Kurzhaarjournalismus

Das Problem mit Internetangeboten wie dem der „Rheinischen Post“ ist, dass sie sich einer Kritik inzwischen fast vollständig entziehen. Es ist nicht so, dass das, was sie produzieren, journalistisch schlecht wäre. Das, was sie produzieren, lässt sich auf einer journalistischen Skala gar nicht mehr verorten. Es ist nicht damit getan, die Etage, die man bislang „unterstes Niveau“ nannte, noch einmal zu unterkellern. Das, was RP-Online produziert, befindet sich unter einem ganz anderen Haus.

Das Problem mit Internetangeboten wie dem der „Rheinischen Post“ ist, Sie merken es, dass mir die Superlative ausgehen. RP-Online symbolisiert für mich wie kein zweites Angebot einer deutschen Tageszeitung, was schiefläuft im Onlinejournalismus in Deutschland: Die Möglichkeit einer Bildergalerie oder Klickstrecke als wichtigstes Auswahlkriterium von Nachrichten. Die enthemmte Boulevardisierung. Der Verzicht auf Quellenangaben, transparente Korrekturen, Sorgfalt jeder Art. Die völlige Irrelevanz von Relevanz.

Man kann natürlich versuchen, das Grauen systematisch zu erfassen. Man kann sich zum Beispiel Checklisten vorstellen, mit Punkten, die die Autoren von RP-Online beim Schreiben ihrer Artikel abhaken müssen, und wenn nicht mindestens vier von sieben Kriterien erfüllt sind (unglaubwürdige Quelle / unwahrscheinlicher Inhalt / Rechtschreibfehler / Symbolfoto / unnötige Bildergalerie / latenter Sexismus / Text-Bild-Schere), verweigert das Redaktionssystem die Veröffentlichung.

Aber man wird dem täglichen Wahnsinn damit nicht gerecht. Dafür muss man die Vogelperspektive verlassen und ganz nah rangehen. Muss sich einzelne Artikel ansehen und versuchen, die verschiedenen Krusten von geronnenem Irrsinn von ihnen abzuknibbeln.

Nehmen wir diesen Artikel aus dem Gesellschafts-Ressort von RP-Online:

Versuchen wir doch einmal gemeinsam, den nächsten Satz zu erraten. Auf welche Veränderungen im Liebesleben von Katie Holmes mag ihre neue Frisur hindeuten? Hat sie sich neu verliebt? Getrennt? Ist sie schwanger?

Sie kommen nicht drauf.

Der Artikel selbst beginnt dann mit einem Rückblick auf die Haarhistorie der Katie Holmes.

Und falls Ihr Gehirn nicht längst den Not-Aus-Knopf gedrückt hat (oder sich freut, dass das Adjektiv „flott“ gar nicht, wie vermutet, Ende der sechziger Jahre ausgestorben ist), könnte es sich jetzt mit einem „Hm?“ melden und fragen, warum die schöne, schöne Katie Holmes ausgerechnet mit dem Kurzhaarschnitt jetzt wieder aussieht wie früher mit den langen Haaren.

Nein, kürzer wirklich nicht. Sonst ist sie womöglich auch nicht mehr so gut gelaunt wie früher mit den langen Haaren, und das will ja keiner.

Der Artikel endet hier, aber das Beste kommt natürlich erst noch: die Bildergalerie. In diesem Fall besteht sie aus 17 Bildern, von denen eines unbeschriftet blieb. Die anderen 16 Texte habe ich der Einfachheit halber mal untereinander gelegt:
















Nun gilt bei RP-Online aber die Regel „Eine Klickstrecke ist keine Klickstrecke“ (oder genauer, vermutlich: „[Beliebige Zahl] Klickstrecken sind keine Klickstrecke“). Und so ist in dem Katie-Holmes-hat-jetzt-kürzere-Haare-Artikel eine zweite Bildergalerie verlinkt, die erstaunlicherweise ebenfalls von der „Tropic Thunder“-Premiere handelt, diesmal nur in elf Teilen und u.a. mit diesen Beschriftungen:




Diese Galerie war als Begleitmaterial für einen anderen Artikel über dieselbe Veranstaltung veröffentlicht worden, in dem die Leute von RP-Online bereits gestern Mittag ihrer Haarchronistenpflicht nachgekommen waren — quasi schon mal vorab als Breaking News:

Glücklich und entspannt wirkt Katie Holmes an der Seite ihres Ehemanns Tom Cruise. Ihre Haare werden immer kürzer - mittlerweile hat die US-amerikanische Schauspielerin ihre einst lange Haarpracht gegen einen flotten Kurzhaarschnitt eingetauscht.

Eigentlich ging es in dieser Holmes-Story aber vor allem um ein anderes Thema, mit dem die Schauspielerin die Welt in Atem hält:


Und wenn Sie bis hierher durchgehalten und mitgedacht und sich in die kranke Welt von RP-Online eingefühlt haben, können Sie womöglich sogar erraten, welche Überschrift dieser Artikel trägt.

Enges Kleid bei Filmpremiere: So schwanger ist Katie Holmes

68 Replies to “Kurzhaarjournalismus”

  1. Die Rheinische Pest lässt sich nicht mehr unterkellern. Die ist mittlerweile so weit unten das sogar der Beton anfängt zu schmilzen.

    Aber es ist gut wenn die Vögel dort über die Holmes reden dann singen sie nämlich nicht wie sonst immer, ihre so gut bezahlten neoliberalen Werbungskampagnen.

    Die Rheinische Pest war aber schon immer der Anzeiger für das aktuell tiefstmögliche Zeitungsniveau in Deutschland. Seit ihrer Gründung ist das schon so.

  2. das print-dingen habe ich aus beruflichen gruenden am wochenende jahrelang gelesen, allein das „christliche“ auf jedem deckelchen am samstag morgen „wuerg*

    m.e. wird sie inhaltlich noch v. dem hegemonialanspruchsblaettlein ksta aus koeln unterschritten, in sachen rueckwaertsgewandheit und faselbla

  3. @1/Q
    Was Journalisten gerne vergessen ist, daß die Auswahl der Themen auch wichtig ist. Und man darf im Sommerloch auch mal kein Thema auswählen.
    Einen grösseren Blödsinn habe ich schon sehr lange nicht mehr gelesen. Bewerben Sie sich doch mal bei der Rheinischen Post!

  4. Stimmt. Die SZ ist auch nicht besser als die RP. Gerade in der gestrigen Ausgabe ging es 50 Seiten lang um Haare, selbst beim Sport…

  5. komisch dass ich noch nie auf der seite war, sie nicht mal kannte bis du hier davon redest. So wichtig kann sie nicht sein…Schlimm scheint sie trotzdem zu sein

  6. Oh Mann, ich weiß gar nicht, ob ich lachen darf. Da hat sich einer die Mühe gemacht, diesen Schund zusammenzutragen und ich sitze lachend vor dem Computer. Dabei würde ich vermutlich mit zuckendem rechten Auge, Speichelfluß und einem hysterischen „Mann, ist die Holmes behaart“-Kichern in der Ecke hocken, hätte ich diesen Artikel geschrieben.

  7. Ich nutze mal die Gelegenheit, zum ersten Mal in meinem Leben todesmutig einen Niggemeier-Artikel zu kommentieren, und das auch nur, um ein nüchternes Detail – der Vollständigkeit halber – beizusteuern:

    Bei Frauen (und Männern), die einem ähnlichen Beruf nachgehen wie Frau Holmes ist der häufigste Grund für eine neue Frisur i.d.R. der Wunsch eines Arbeitgebers (Regisseure, Produzenten) bzw. die Entscheidung eines Maskenbildners…

  8. Hat mit dem Blogeintrag nichts zu tun, trotzdem wünsche ich mir Herrn Niggemeiers Aufmerksamkeit auf folgenden Artikel zu lenken. Ebenfalls die Kommentare sind wichtig, dort stellt sich dann heraus, das Herr Glaser im Glashaus sitzt. Vielleicht nicht kurzhaarige, aber immerhin dünnhäutige Journalisten. Damit haben sie doch bestimmt auch schon Erfahrung gesammelt. Lassen sie uns daran teilhaben!
    Der Link, bevor ich es vergesse:
    http://blog.stuttgarter-zeitung.de/?p=108

  9. Nur ein kurzes Zwischenlob:

    „Es ist nicht damit getan, die Etage, die man bislang “unterstes Niveau” nannte, noch einmal zu unterkellern.“

    Geniale Formulierung! Das sind die Sätze die den Grund bilden warum ich dieses Blog regelmässig lese.

  10. Tja. RP-Online war mal ein Trendsetter der Digitalisierung von Zeitungs-Content und leidet heute darunter, dass die RP eine Provinz-Zeitung ist. Die meisten Inhalte sind jenseits der Verbreitungsgebiets irrelevant. Mein persönliches Überschriften-Highlight von heute:
    „Anhaltermorde: Toter soll gestanden haben“

    In dieser Hinsicht ist die Kommerzialisierung durch Klickstrecken natürlich konsequent. RP-Online hat einen begrenzten Markt und muss so viele Klicks machen wie möglich. Das sichert die Arbeitsplätze, lässt aber manchmal eine zynische Grundhaltung zum eigenen Beruf vermuten. Man hat oft den Eindruck, die Redaktion weiß genau, dass es hier gar nicht um Inhalte geht.

    Print-Redakteure haben es da einfacher. Hier macht der Vertrieb die Dirty-Deals mit Bord-Exemplaren und Abos. Online müssen die Redakteure – äh Content Manager schon selbst ran. Traurig, aber wahr.

  11. Danke Herr Niggemeier! Lange nicht so gelacht – auch wenn es traurig ist.
    PS. Man muss nicht wissen wer diese Frau mit der „wahnsinnig“ wichtigen Haargeschichte ist?!

  12. Ist es nicht so, dass da eine Horde von einer Webdesigner-Company von Redaktion zu Redaktion schleicht und denen den eine Unifier-Homepage mit PI-Garantie aufschwatzt ?
    Ob SZ, WAZ, FAZ, KStA und wie sie alle heissen – Klickerstrecken statt Journalismus.
    Einfach nur abstossend – doch sie werden es mitbekommen, dass wohl andere ihnen bald das Wasser abgraben: Die geschmähten Blog-Profis erreichen bald mehr als verträumte Pseudo-Journalisten, die Klickerstrecken mit Information verwechseln und uralte Links als „ultraheisse Neuigkeit“ anprangern, nur weil sie nach 5 Jahren das sahen, was andere schon lange langweilt.

  13. Gähn… Ist das wirklich die Aufregung wert?? Ist halt Boulevard — wers mag. Viel zu viel Energie verbloggt meiner Meinung nach, die bei anderen Dingen verlustig geht…

  14. Genial geschrieben, habe mich köstlich amüsiert, danke!

    Mein Lieblingssatz ist der in den Klammern:

    (oder sich freut, dass das Adjektiv “flott” gar nicht, wie vermutet, Ende der sechziger Jahre ausgestorben ist)

    Ja so kann man es sagen ;))))

  15. Wobei die Frisureneigenschaft „frech“ auch nicht gerade ne 08er-Erfindung ist. Sag ich mal so, ganz frech …

  16. „[…] zeigte sich die Holmes mit frechem Bop.“

    Oh, wunderbar! Der Bop lebt und ist so frech wie eh und je. Charlie Parker und Dizzy Gillespie wird’s freuen (sofern sie im Musiker-Himmel nichts Besseres zu tun haben).

  17. „Man muss nicht wissen wer diese Frau mit der “wahnsinnig” wichtigen Haargeschichte ist?!“

    Doch, sollte man schon, glaube ich, wegen ihrer Verstrickungen in das Scientology-Unternehmen.

  18. Man muss nicht wissen wer diese Frau mit der “wahnsinnig” wichtigen Haargeschichte ist?!

    Du bist entweder zu alt oder zu jung: das ist Joey Potter. Die wollte ich früher heiraten.

  19. @22: Nein, kein Synonym, aber eine signifikante Schnittmenge sehe ich da schon.

    Aber davon mal abgesehen: Man kann über RP-Online sicher viel schlechtes sagen, und am Lächerlichsten ist sicher der explizite Anspruch seiner Macher, bundesweit mit den großen Hunden mitzupinkeln. Von den daraus resultierenden Auswüchsen, die Du völlig zu recht anprangerst, sind die lokalen und regionalen Seiten aber in einem erfreulichen Maße frei. Was dort über das Geschehen in Kaarst-Büttgen, Erkrath oder Tiefenbroich bei RP-Online zu finden ist, hat sicher kein „New York Times“-Niveau, ist aber ganz normaler Lokaljournalismus. Und was anderes suche ich da auch nicht bei diesem Zeitungsangebot. Von daher geht die Diskussion um überbordende Klickstrecken in einem Gesellschafts-Ressort (haha) an meinem Nutzerverhalten weiträumig vorbei.

    Was nicht heißt, dass ich die Debatte für wertlos halte. Ich möchte nur ein wenig dem hier erweckten Eindruck entgegentreten, das und nur das mache RP-Online aus.

  20. Eher aus Langeweile habe ich hier nochmal reingeschaut und auf den Link von Kommetar 16 geklickt:

    http://blog.stuttgarter-zeitung.de/?p=108

    Und muß sagen, das habe ich nicht berreut. Hoher Unterhaltungswert. Man könnte argumentieren daß passt nicht hier her, aber irgendwie ist es eine prima Ergänzung. Denn neben des Problems, das man mit „Kurzhaarjournalismus“ wohl nicht treffender beschreiben kann, gibt es noch das – wie nennt man das jetzt – Glatzkopfjournalismus- Problem. Das sind die Kollegen der vermutlich eher jugendlich dümmlich-naiven Kurzhaarjournalisten. Die bringen aufgrund von Alter und formaler Bildung zwar keinen solchen Dünnpfiff zu Papier und auf den Bildschirm. Aber die Kombination von ganz ganz kleinem Geist mit ganz ganz großem Ego erzeugt einen nicht minder lustigen Output.

    Und auch wenn das keine Voting-Plattform hier ist: auch ich votiere für eine trocken-satirische Aufarbeitung dieses Vorgangs im Niggemeier-Stil.

  21. @30/mark793
    Was dort über das Geschehen in Kaarst-Büttgen, Erkrath oder Tiefenbroich bei RP-Online zu finden ist, hat sicher kein “New York Times”-Niveau, ist aber ganz normaler Lokaljournalismus.
    Das befürchte ich auch.

  22. @33: Hat ja keiner gesagt, das wäre die Benchmark. Wenn man aber wie ich aus dem Kernberichtsgebiet vom „Morgenweb“ kommt und dann zwischenzeitlich in der „Echo-Online“-Peripherie lebte, dann fühlt man sich mit der Umlandberichterstattung von RP-Online gar nicht mehr sooo schlecht bedient.

    Und – um die Kurve zum Ursprungsbeitrag wieder zu kriegen: Da finden sich auch nur sehr wenige Bilderklickstrecken.

  23. @mark793/#30: Na ja, wie hochwertig der Lokaljournalismus bei „RP Online“ ist, kann man auch schön an diesem Artikel ablesen. Kleiner Tipp: Die Überschrift hat wenig mit dem Rest des Textes zu tun.

  24. Der Spiegel-Online-Autor Daniel Haas sollte für seine aktuelle Analyse des Boris-Becker-Beziehungslebens allerdings auch verhaftet werden:

    http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,571973,00.html

    (heute auf der Titelseite von SpOn)

    Der Text scheint zwar zu Beginn etwas schlüssiger als der RP-Artikel zu sein, driftet aber irgendwann auch in irgendeine Fantasiewelt ab. Zitat:

    „So ist Boris‘ Entscheidung für Sandy gerade nicht ein Zeichen Midlife-Crisis-bedingter Verdrängung, sondern eine Geste der Reife, ja Beschränkung. Jetzt, da der Spätkapitalismus uns zu immer mehr Flexibilität anhält, da die Globalisierung unser Gefühl für Heimat, Herkunft und Tradition auflöst, lässt Boris Nähe zu. Das ist ganz konkret gemeint: Sandy kommt aus Grünwald bei München, rund vier Autostunden von Leimen entfernt.“

    Wahrscheinlich ist das einfach wieder so ein journalistisches Sub-Genre daß der Onlinejournalismus erfunden hat: Nach Fotoklickstrecken und langatmigen Talkshow-Analysen kommen jetzt Prominentenanalysen mit Franz-Josef-Wagner-Ambitionen.

  25. Korrektur und Nachtrag zu meinem Eintrag Nr. 36: Ich habe das nicht rechtzeitig realisiert:

    Der Spiegel-Online-Artikel von Daniel Haas soll wohl witzig gemeint sein, die Kolumne „Verstehen Sie Haas?“ ist wohl eine Art geistreiche Humorkolumne oder sowas ähnliches. Das ist mir leider entgangen. (Weil der Artikel auch leider nicht witzig ist.)

  26. @35: Von den Düdorfseiten habe ich ganz bewusst nicht gesprochen. Da gäbe es sicher manches zu kritisieren – von der großen Nähe zur Erwinista bis hin zu – ja, sagen wir es unumwunden – ellenlangen Fotostrecken etwa zum Rosenmontagsumzug, die hier kurioserweise gar nicht angeprangert wurden.

    Dass der Überschrift in dem Artikel das Fragezeichen abhanden kam, ist sicher äußerst unschön – nicht zuletzt für den Betreiber des Lokals. Wer lustig ist und sich berufen fühlt, kann das ja mal hochstilisieren in der Art. „dieser Artikel mit seiner sinnentstellenden Überschrift liefert ein anschauliches Beispiel dafür, was fundamental schief läuft im lokalen Onlinejournalismus im deutschen Sprachraum…“.

    Und – dämmerts jemandem hier in der Runde, dass das bisschen arg dick aufgetragen wäre?

  27. @38/mark793
    Die Düsseldorf-Seiten sind aber für den Düsseldorfer von Wichtigkeit. Kann ja sein, dass über die Beerdigungen in Büttgen, Altenheimfeiern in Tönisvorst oder der 100. Geburtstag einer Omi in Viersen ganz gut „berichtet“ wird. Das ist für mich aber uninteressant.

  28. Inzwischen hat der eine Artikel 4 (!) Bildergalerien:

    Tom Cruise übt für „Top Gun 2
    So schwanger ist Katie Holmes
    Liebe Katie Holmes, was soll das denn? sowie
    Katie Holmes: Die Haare wurden immer kürzer

    Was für eine geballte Nachrichtenkraft und -Kompetenz.

    Argh.

  29. @39: Verstehe ich. Und mindestens ebenso uninteressant ist aus meiner Sicht die Haarlänge oder der hormonelle Zustand irgendwelcher Hollywood-Hohlhippen. Die schiere Tatsache, dass es überhaupt Menschen gibt, die sich für dergleichen interessieren, finde ich um keinen Deut weniger befremdlich als das Faktum, dass diesem Interesse seitens der Redaktion mittlerweile mit vier oder was weiß ich wie vielen Fotoklickstrecken Rechnung getragen wird.

    Ich gehe noch einen Schritt weiter. Wenn nun also irgendeiner oder -eine der gelangweilten Zeitgenossen sich spätestens beim Durchklicken der vierten Bildergalerie fragt, „hey, was tue ich eigentlich hier, das ist doch voll bescheuert“, dann war die harte Arbeit der Redaktion auch im volksbildnerischen Sinne vielleicht nicht ganz vergebens. Kurzum: Wir brauchen streng genommen noch viel mehr Fotostrecken, die uns drastisch vor Augen führen, was wir uns jeden Tag für eine gequirlte Kacke einfahren lassen.

    Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger verstehe ich auch die Logik hinter der artifiziellen Festlegung:

    – Man darf solche Nullnews bringen, denn das ist Boulevard, und dafür interessiert sich der Leser.

    – Aber irgendwo schlägt das um (ab wieviel Bildern oder wie gaga muss die Bildunterschrift sein), dass es auf einmal kein guter Boulevard mehr ist, sondern journalistisch ganz bääääh und unterirdisch.

    Also ich weiß ja nicht. Mir scheint diese Grenzziehung reichlich willkürlich. Ich sehe da draußen keine aufgebrachten Nutzermassen durch die Straßen ziehen und skandieren: „Weniger Fotostrecken bei vollem Klickausgleich“. Also für welche vermeintlich Entrechteten und Entnervten wird hier eigentlich gekämpft? An der Klickstrecke kann doch jeder selber mit der Maus abstimmen, ob er sich das geben will oder nicht.

  30. @mark793: Das Problem, das Du nicht siehst, ist – sofern ich Herrn Niggemeier hier richtig verstehe – die Online-Offline-Schere der Rheinischen Post. Als Printprodukt hat die RP nicht nur regional publizistisches Gewicht. Im Internet präsentiert uns das Haus vier Bilderstrecken zum Thema „Katie Holmes war beim Frisör“. Frage nur ich mich angesichts dessen: Warum setzt die seriöse RP ein Online-Angebot ins Netz, das irgendwo zwischen Super-Illu und Fix & Foxi zu verorten ist? Wenn das Internet so bedeutungsvoll ist, wie vielerorts vermutet wird, warum schaffen die selbstbewussten Qualitätsmedien es dann nicht, auch online ihre Leser mit qualitativ guter Arbeit zu informieren?

    P.S.: Dieser Kommentar ist nicht als Attacke auf Fix & Foxi zu verstehen…

  31. @41/mark793
    Wir brauchen streng genommen noch viel mehr Fotostrecken, die uns drastisch vor Augen führen, was wir uns jeden Tag für eine gequirlte Kacke einfahren lassen.
    Ich finde, das hat was. Ich bin ja auch für die Dopingfreigabe im Sport, damit das aufhört – alleine, es wird wohl nicht funktionieren.

    Also für welche vermeintlich Entrechteten und Entnervten wird hier eigentlich gekämpft?
    Ich glaube, dass Niggemeier nicht unbedingt für die Entrechteten und Entnervten „Klicker“ kämpft. Worum es ihm vermutlich geht: Wieso ein Berufsstand (der sein Berufsstand ist) sich dermassen banalisiert, trivialisert (man kann noch nicht einmal sagen infantilisiert, weil Kinder meist mehr ästhetisches Gefühl haben, als man gemeinhin denkt) und einen dermassen bodenlosen Schwachsinn fabriziert. Ich mach‘ nicht den Stoiber (weil der Ausdruck schon uralt ist), aber ich glaube, in solchen Momenten leidet Herr Niggemeier wie ein Hund. Und ich glaube, ich kann das sehr gut verstehen.

  32. @Daniel A: Ich kann nur vermuten, dass es sich nicht auszahlt.

    Wohlgemerkt: Man darf diesen Bilderstrecken-Exzess auch mit allem Recht der Welt unverhältnismäßig. doof, gaga, was auch immer finden. Aber lassen wir doch mal die Kirche im Dorf. Wenn ich jetzt RP-Online aufrufe, habe ich als erstes was zum Kaukasus-Konflikt auf dem Monitor, gefolgt von einer Olympia-Meldung, eine Navigation, rechts ein Banner, wenn ich runterscrolle weitere Meldungen, paar Kästen mit Regional-Teasern, rechts ein Ticker, weiter unten links eine genauere Navigation in die Ressorts – und wenn ich nicht hier in der langen Diskussion gelernt hätte, dass ich diese haarigen Nullnews samt Bilderkatalogen unter dem Menüpunkt „Gesellschaft“ (vermutlich Unterpunkt „Leute“) suchen muss, ich wäre da n i e i m L e b e n (sorry fürs Brüllen) hingekommen.

    Und jetzt geht einer her und deklariert dieses (zugegebenermaßen bizarre) Nebendetail zum flammenden Untergangsfanal für den deutschen Online-Journalismus. Da stellt sich mir aber schon die Frage, ob sich der geschätzte Gastgeber dieses Blogs nicht ein bisschen auf einem Nebenschauplatz verrennt.

    Denn wie gesagt, für wirklich inhaltliche Kritik (sei es aus regionaler oder überregionaler Perspektive) lässt dieses Online-Angebot durchaus Raum – ob es um das unhinterfragte Verklappen von Agenturwortmüll im überregionalen Teil geht oder blinde Flecken im Lokalen. Ich habe nie gesagt, RP-Online wäre die Benchmark für Onlinejournalismus. Aber sich so an diesem Detail abzuarbeiten, das riecht für mich ein bisschen nach Effekthascherei.

  33. @ Twipsy #46:

    Die RP schreibt das Internet damit voll, um Herrn C. die Möglichkeit zu geben, auch was von der Frisur zu haben.

    @ mark793 #47:

    Ich glaube, es geht hier nicht darum, ob man Bilderstreckengalerien überhaupt machen sollte, ob Bilderstrecken gut oder schlecht sind, ob man Boulevardthemen in der RP oder RP-Online überhaupt verwursten soll oder ob sich Frisuren von „Hohlhippen“ als Thema oder Bilderstrecke im Allgemeinen eignen.

    In meinen Augen sind Bildergalerien an sich gar nichts schlechtes. Wenn ich mir das neue 3er BMW-Facelift ansehen will, oder den neuen Blackberry Bold von allen Seiten betrachten will, sogar neue Frisuren von Katie Holmes sind bildergaleriefähig. Ein schlichtes vorher/zwischendrin/nachher in einer Galerie mit einer nicht ganz so saublöden Überschrift, und schon müsste Stefan und Herr Heinser keine Magentropfen mehr nehmen.

    Man muss es nur nicht ganz so haarsträubend sinnlos machen wie die RP. Dann sieht man nämlich nix mehr von den Frisuren.

    @ tumulder #49:

    Ja.

  34. Ich glaube auch, dass man über die Existenzberechtigung von Bilderstrecken nicht streiten muss.

    Das beweist schon
    The Big Picture vom Boston Globe mit tollen und großen Bildern ohne Alibitexte. Und vor allem: Alles auf einer Seite!

    Da sieht man erst, wie erbärmlich die Galerien der deutschen Medien sind.

  35. @Uwe Cooljay/#44:

    Unsere Mitarbeiterin Anne Weißschädel war ebenfalls beim Friseur. Das Ergebnis sehen Sie in unserer Fotostrecke.

    Das machen die doch absichtlich!!!!!1

  36. 24 Bilder über den Frisörbesuch der RP-Mitarbeiterin – Hammer. Ich als Mann kann das allerdings nur schlecht nachvollziehen, geschlechtsbedingt sind für mich Haare, so Frau Weißschädel im Text, ja „einfach da“. Mein Favorit bis gerade, „Wo ist Obama?“, musste sich um Längen geschlagen geben.

  37. @52/Lukas
    Anne Weißschädel beim Friseur? Das MUSS Satire sein! Die „Rheinische Post“ ist das neue, junge Satiremagazin! Bitte schnell dem Turi Bescheid geben! Damit das noch im nächsten Newsletter erscheint.

  38. Oh Gott, sich in einer Fotostrecke mit MEINER Joey Potter zu vergleichen ist doch sowasvon … Ich muß in die Werkstatt. Adjektive erfinden.

  39. Das schöne ist doch, dass Anne Weißschädels Frisörin eben jene Frisur von Anfang an zur Schau stellt. Hat wahrscheinlich auch bei der RP geklickert …

  40. @Lukas: Aber nicht zu lange, mein Schlafzimmerfenster hat noch ein Rende– eine Verabredung mit einer Leiter. Was ich sagen will:

    Ja, MEINE

  41. Das jetzige Niveau von RP-Online ist eine Folge des Relaunches im Jahr 2006. War RP-Online vorher klassisch aufgebaut wie so fast jedes Nachrichtenportal in Deutschland, hat man sich plötzlich an sexy Bildern, knackigen Überschriften und möglichst kompakten Überschriften orientiert. Das ist besonders dann peinlich, wenn die Artikel zu kurz sind für das Webdesign und angehängte Kästen gleich zuhauf unter einem Artikel statt wie früher einmal begleitend daneben stehen.

    Ich habe mir das bei RP-Online auch sehr lange angeschaut und mir noch kein abschließendes Urteil bilden wollen. Aber jetzt mittlerweile muss ich sagen: Ich bin sehr froh, dass ich nach vier Jahren im August 2006 dort aufgehört habe und spätere Angebote dort noch einmal etwas zu schreiben, abgelehnt habe. Die Rheinische Post ist eine starke Regionalzeitung. Und ihr Webportal könnte es auch sein. Nur nicht so.

    Mir tut es im Übrigen besonders leid, weil RP-Online in den 90er Jahren zu den ersten Newsangeboten im Web gehörte und unter der Entwicklung von Volker Pfau sehr innovativ war. Pfau war es auch, der zwischenzeitlich das Internetfernsehen NBC Giga (mit)erfand und leitete. Das war einer der ersten Web-Pioniere. Lange lange lange bevor andere wussten, wie Sie WordPress bedienen. Das ist ein Jahrzehnt her. Als RP-Online sein 10-Jähriges gefeiert hatte und Volker Pfau vorher „in beidseitigem Einvernehmen“ gegangen worden…gegangen ist, hat man seinen Namen beim Geburtstagsspecial gleich völlig eliminiert und nicht erwähnt.

    RP-Online wäre klug beraten sich dringend einem Relaunch zu unterziehen und wieder zu Inhalten zurückzukehren. Inhalte die auch seriös aufbereitet sind. Denn bei all dem Schimpfen auf RPO. Der Laden war mal richtig innovativ. Man denke nur an „Opinio“. Aber da hatte man dann auch irgendwann keinen Mut mehr.

    Schade
    Thomas

  42. Die Rheinische Post ist auch als Printprodukt eine Schrottzeitung. Nicht, weil sie konservativ ist. Sondern, weil sie journalistische Standards noch nie interessiert hat. Und die Entwicklung hat sich in den letzten Jahren verschärft. Zuerst hat Chefredakteur Ulrich Reitz das Blatt in Richtung Boulevard getrimmt, ohne sich dazu zu bekennen. Dann wurde er von Sven Gösmann abgelöst, bis dahin stellvertretender Chefredakteur der Bild Hamurg. Insofern also kein Wunder, dass die RP das Niveau eine lokalen Bild-Ausgabe hat. Problematisch dabei ist, dass der durchschnittliche RP-Abonnent wahrscheinlich immer noch glaubt, dass er eine seriöse Tageszeitung in den Händen hält. Und er hat keine Alternative. Die Westdeutsche Zeitung ist kleinbürgerlich, die NRZ zwar mutiger, aber schon vom Layout her schauderhaft. Und noch was zum Thema „journalistische Standards“: Es ist in Düsseldorf ein offenes Geheimnis, dass die RP mit dem Ex-Oberbürgermeister Erwin so eine Art Abkommen hatte: Exklusive Informationen gegen freundliche Berichterstattung. Ein stabiles System.

Comments are closed.