Elisabeth Volkmann

Als erstes würde ich das Wort „Ulknudel“ verbieten. Dafür wenigstens muß man dem Privatfernsehen dankbar sein, dass es das Wort „Komikerin“ endgültig in der deutschen Sprache etabliert hat und vielleicht künftige Generationen von Unterhalterinnen nicht auch noch in ihren Nachrufen das Wort „Ulknudel“ lesen müssen.

Für mich war Elisabeth Volkmann nicht kalkweiß. Für mich ist sie sattgelb. Sie trägt einen Turm aus blauen Haaren, eine Kette aus roten Perlen, die sich tief in ihren Hals eingedrückt haben, und ein trägerloses hellgrünes Kleid. Für mich ist Elisabeth Volkmann seit 15 Jahren Marge Simpson. Sie ist vielleicht der einzige Grund, warum man sich die „Simpsons“ gelegentlich auch auf Deutsch ansehen sollte, trotz der grotesken Übersetzungsfehler.

Man braucht nur drei Wörter von dieser Marge zu hören, um Elisabeth Volkmann für diese Rolle zu verehren. Am Anfang einer Folge würzt Marge die Koteletts für ihren Ehemann Homer und sagt: „Ein bisschen Rooosmarin, eine Prise Thyyymian, eine Prise Maaajoran“, und wie sie die Vokale gleichzeitig brüchig und heiser macht und sie dennoch schwingen und tanzen läßt, das macht ihr keiner nach. Im Gegensatz zu den Knallchargen aus „Klimbim“ war ausgerechnet Marge Simpson keine Comicfigur, und Elisabeth Volkmann sprach sie auch nicht so. Sie verlieh dieser Marge mit ihrer Stimme eine ungeschliffene Bodenständigkeit, durch die jederzeit die Fähigkeit zur Hysterie und Extravaganz durchschimmert. Elisabeth Volkmann schien mir in der Öffentlichkeit ganz ähnlich und genau umgekehrt: Ihre äußere Schicht war das Überkandidelte, aber das Solide, Bodenständige, In-sich-Ruhende schimmerte immer durch.

Volkmann gab Marge Simpson in Deutschland eine Seele, und daß ihr das gelang, obwohl sie dafür in einem dunklen Studio mehrere hundert kleinste Szenenschnipsel an einem Tag aufnehmen mußte, macht es noch erstaunlicher. Pro Sieben zeigte gestern eine Folge der „Simpsons“, in der Marge fast nicht vorkam. Der Gedanke, zur Ehre von Elisabeth Volkmann einfach die selbstironische Folge zu zeigen, in der Marge gegen die Gewalt im Fernsehen kämpft, oder die wunderbar romantische Geschichte, wie sie beinahe dem Charme eines französischen Verehrers erliegt, dieser Gedanke ist bei Pro Sieben natürlich niemandem gekommen.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

2 Replies to “Elisabeth Volkmann”

  1. Herr Niggemeier, da würde mich jetzt aber ihre Meinung zu Anke Engelkes Leistung interessieren…ansonsten kann ich mich dem Artikel voll und ganz anschließen. Elisabeth Volkmann hat Marge eine Qualität gegeben, die sie auch im englischen Original nicht hat. Deutschland hatte eine sehr persönliche, sehr vielschichtige Marge. Ruhe sie in Frieden.

    Übrigens finde ich, dass Anke Engelke einen guten Job macht, obwohl ich ihr sehr sehr skeptisch gegenüberstand. D´oh! Zumindest können jetzt die Leute nicht mehr meckern, die eh der Meinung sind, dass nur die Originalstimmen die wahren Stimmen der Simpsons sind.

Comments are closed.